Dienstag, 26. September 2017

Die doppelte Staatbürgerschaft




Integration - so sagt die AfD und sogar ein Teil der CDU - heißt sich anzupassen. Türkisch stämmige Bürger des Bundesstaates Deutschland sollen sich demnach zwischen einer ihrer beiden Staatsbürgerschaften entscheiden.
In diesem Post soll es nicht nur darum gehen, weshalb dieser Grundgedanke nicht nur mein, sondern auch das Leben vieler anderer Gleichgesinnte durcheinander bringt.

Hier - also in Deutschland - bin ich die Türkin mit einem deutschen Pass. Eine Wahlberechtigte Bürgerin des deutschen Staates - aber keine Deutsche.
In der Türkei bin ich die entfernte Cousine vieler Bekannter, die die türkische Sprache zwar fließend spricht, aber dennoch Probleme hat sich dem türkischen Alltag anzupassen. In den Augen meiner Verwandten bin ich die Tochter ihrer einzigen Schwester, die deutsch spricht. Für viele bin ich deutsch.
Als Jugendliche, die nie etwas anderes kennengelernt hat kommt irgendwann der Punkt, in dem man sich fragt, wohin man tatsächlich hingehört. Heimat - das ist der Ort, den ich jahrelang gesucht habe. Im Jahre 2015 erkannte ich schließlich, dass es nicht Deutschland ist - aber überraschenderweise auch nicht die Türkei. Wo war ich also an diesem Punkt? Wer war ich überhaupt? Meine Heimat war von nun an gespalten. Mit gespaltenem Herzen gehörte ich sowohl der Türkei, als auch Deutschland an - die eine Hälfte fand ich hier wieder, die andere bei den entfernten Verwandten in 3000 km Entfernung.
Und den Ursprung all dieser Fragen war die kritische Auseinandersetzungder Politiker mit der doppelten Staatbürgerschaft.

 Die Gefahr sehen viele deutsche Politiker in der Integration. Der integrierte Türke soll erst dann vollständig integriert sein, wenn er nur die deutsche Staatsbürgerschaft inne hat und mit der türkischen das Erdogan-Regime nicht unterstützen soll. 63% - So hoch war das Ergebnis für "Ja" des Referendums. Unter den Wählern auch: deutsche Staatsbürger.
Und dieser Staatsbürger soll im demokratischen Deutschland nicht für die Politik eines anderen Landes wählen. Dabei vergessen allerdings viel zu viele Menschen, dass dieses "andere" Land die eigene Heimat ist.
Dabei wird gut und gerne übersehen, dass 37% gegen das Referendum waren - und viele nicht einmal an dieser Wahl teilgenommen haben. Und dennoch sollen diese Menschen mit leiden. Sie sollen sich entscheiden.
Für mich bedeutet das eine weitere Entfremdung und außerdem ein Chaos von Gedanken in meinem Kopf.
Es verletzt und lässt verzweifeln.

Wieso soll ich mich zwischen Heimat und Heimat entscheiden?
Wieso darf ich nicht die mögliche Brücke zur Türkei bilden?

Ich und genau so viele andere deutsch-türkische Jugendliche sind die Zukunft Deutschlands.
Risiken stehen meist nicht nur alleine da. Sie sind geprägt von Vorteilen und Chancen, die ergriffen werden müssen. Als deutsch-türken, die beide Seiten kennen und in beiden Kulturen aufgewachsen sind, wissen wir an beide Heimaten Kritik zu üben und viel wichtiger ist hierbei doch, dass wir noch besser beide Seiten verstehen.
Wir sind nicht nach Produkt einer Jahrzehnte anhaltenden Integration - wir mussten uns niemals integrieren.
Denn wir sind Deutsche.
Und Türken.

Und das wird uns nie jemand weg nehmen können - so wird das immer bleiben.
Weiterlesen